Es ist okay, sich umzuentscheiden

Ich habe mit 18 Jahren mein Abitur gemacht und sollte danach – wie wir fast alle – genau wissen, was ich beruflich tun will. Und das für immer. Weil ich keine Ahnung hatte und vor dem Start ins Berufsleben noch etwas anderes erleben wollte, habe ich als Au Pair ein Jahr in London verbracht. Und das war die beste Entscheidung meines Lebens. Danach kannte ich mich zum einen viel besser und zum anderen wusste ich, was ich wollte: das Journalismus- und PR-Studium. Aber muss das wirklich eine Entscheidung für immer sein?

Vielleicht war es bei dir ähnlich wie bei mir und du solltest nach der Schule plötzlich ganz genau wissen, was du beruflich und im Leben möchtest. Aber jetzt mal ehrlich: Mit 18 und auch noch mit Anfang 20 ist das eine riesige Frage, vor der wir stehen. Natürlich ist es gut, einen Plan zu haben und zu wissen, was man eigentlich im Leben will. Aber sich auf nur eine Sache festzulegen, die man für immer machen möchte, ist gar nicht so einfach. Zumal sich die Frage stellt, warum wir uns da eigentlich so einen Druck machen, nur eines tun zu können? Vor allem bei den vielen Möglichkeiten, die wir heute haben. Hat man erst einmal den Schulabschluss, steht einem die Welt offen: Studium, Ausbildung, Auslandsjahr – alles möglich. Das kann sehr überfordernd sein. Allein ein Studium ist in so vielen verschiedenen Fächern möglich, dass die Entscheidungsfindung erst einmal gar nicht aufhört.

Sehr verbreitet – zumindest nehme ich das in meinem Umfeld war – ist dabei die Angst, sich für das Falsche zu entscheiden und während des Studiums oder der Ausbildung zu merken, dass es doch nicht das richtige ist. Das ist mir zwar nicht passiert, aber ich kenne viele, die dann doch wieder abbrechen und sich etwas anderes suchen. Und ich bin der Meinung, dass diese Erkenntnis sehr wertvoll ist. Ich sehe absolut nichts Verwerfliches darin, das Studienfach zu wechseln, wenn man merkt, dass es so gar nicht zu einem passt. Und je früher das deutlich wird, desto besser. Da passt folgender Satz: Love it, leave it oder change it.

Jedoch bin ich auch ein großer Fan davon, Dinge zu Ende zu bringen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es uns im Leben sehr stärkt und voranbringt. Damit meine ich, Dinge auch mal durchzuziehen, selbst wenn es hart wird. In meinem Leben habe ich das mehrmals erlebt. Zuletzt während meines dualen Masterstudiums, das ich parallel zu meiner Trainee-Ausbildung gemacht habe. Ohne zu sehr ausholen zu wollen, waren das wohl die herausforderndsten zweieinhalb Jahre meines Lebens und ich stand mehrmals vor der Entscheidung, aufzugeben. Trotzdem habe ich mich immer wieder aufgerafft und damals beispielsweise mein Studium um ein halbes Jahr verlängert, um den Druck etwas rauszunehmen. Und heute bin ich sehr froh, dass ich es am Ende doch durchgezogen habe. Die Zeit hat mich einfach unglaublich gestärkt und ich durfte nochmal deutlich wachsen.

Merkt man jedoch, dass einem der Beruf oder das Studium einfach nicht gefällt und das schon früh, ergibt es aus meiner Sicht durchaus Sinn, ehrlich mit sich selbst zu sein und seine Gefühle anzuerkennen. Findest du dann gleich schon heraus, was du nicht magst und was du lieber machen möchtest, ist das doch super. So kannst du dich gleich für etwas Neues entscheiden. Was ich damit sagen will: Etwas durchzuziehen oder nicht sollte gut abgewogen werden und ist immer individuell zu betrachten. Deshalb gibt es da auch nicht die eine richtige Antwort.

Haben wir dann erst einmal etwas gelernt, das Studium abgeschlossen und sind im Job angekommen, kann es durchaus sein, dass wir weitere Interessen entdecken und diesen gern nachgehen möchten. Was uns dann oft im Weg steht, ist die schon etwas altmodische Erwartungshaltung, dass wir unseren Beruf für immer ausüben müssen. Schließlich haben wir viel Zeit investiert und das Ziel ist es nun, Karriere zu machen. Menschen, die sich nochmal für etwas anderes entscheiden, werden leider immer noch etwas schräg angeschaut.

Wenn man jedoch an dem Punkt steht, an dem man merkt, dass man doch auch noch etwas anderes lernen oder ausprobieren möchte, dann ist das ebenso in Ordnung. Das Leben ist in meinen Augen zu kurz, um etwas nicht auszuprobieren, wofür eigentlich das Herz schlägt. Es hilft sehr, den Druck rauszunehmen und anzuerkennen, dass die Entscheidung für einen Beruf nicht für immer und ewig sein muss. So ist es manchmal auch viel einfacher, sich überhaupt für ein Studium zu entscheiden. Offenheit führt zudem dazu, dass sich ganz unerwartet neue Türen öffnen.

Hier nun einmal der Versuch einer Zusammenfassung: Ja, Klarheit für das eigene Leben ist wichtig und gut. Den eigenen Weg zu kennen hat eine große Bedeutung. Willenskraft zu haben und Dinge durchziehen zu können, auch wenn es mal unangenehm wird, stärkt die eigene Persönlichkeit. Aber: Träume und Wünsche können sich im Laufe des Lebens verändern. Manchmal ist man der festen Überzeugung, für sich das Richtige gefunden zu haben und dann merkt man, dass man sich doch nicht so wohl damit fühlt. Wozu daran festhalten? Oder aber, man möchte schlichtweg etwas Neues ausprobieren. Auch das ist in Ordnung. Wir alle haben nur dieses eine Leben und wir alle haben die Verantwortung, es so zu gestalten, wie es uns am besten gefällt.

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